Klassik Heute – CD-Besprechung Ludwig van Beethoven, Diabelli Variationen

Guido Krawinkel [17.11.2021]

Wie bei manch anderen Werken von Ludwig van Beethoven zeigt sich auch bei den Diabelli-Variationen ein gewisses Maß an Maßlosigkeit. Auch hier sprengt der freigeistige Komponist die Grenzen – indem er statt einer Variation über einen von dem Verleger Anton Diabelli komponierten Walzer derer gleich 33 liefert – einen ganzen Variationszyklus. Dabei hatte sich Beethoven zu Anfang noch über Diabellis Unterfangen mokiert, wollte gar keine Variation liefern. Aber dann reizte es ihn offenbar doch und das, was er lieferte, ging weit über das hinaus, was verlangt wurde. Ursprünglich sollte Beethovens Variation nur eine von vielen sein, denn Diabelli hatte zahlreiche Komponisten seiner Zeit um jeweils eine gebeten um darauf ein großes Gemeinschaftswerk zu formen. Indem Beethoven sich so rigoros über die Vorgaben hinwegsetzte, ließ er nicht nur den Auftraggeber ziemlich alt aussehen. Auch das Thema, das er anfangs ziemlich abschätzig als „SchusterFleck“ bezeichnete, führte er zu ungeahnten Höhen. Aus einem etwas plump daherkommenden einfachen Walzer formte er ein riesiges Werk von gut und gerne einer Stunde Dauer.

Preisgekrönt
Um diesen Klavierolymp zu besteigen, bedarf es schon eines gerüttelt‘ Maß an Mut und einer soliden Technik, zwei Eigenschaften, die der Pianist Spartak Margaryan zweifelsohne besitzt. Der 1994 in Hamburg geborene Margaryan wuchs in Deutschland, Schweden und Armenien auf. Er hat bereits einige Wettbewerbe gewonnen und ist auch als Komponist in Erscheinung getreten. Mit den Diabelli-Variationen hat er sich für sein CD-Debüt an einen ziemlich dicken Brocken herangewagt. Doch verhoben hat er sich nicht, dafür ist sein abgeklärtes Spiel viel zu souverän. Das initiale Thema etwa nimmt er mit geradezu beschwingter Leichtigkeit und sehr selbstbewusst. Die finale Fuge ist von solch bestechender Klarheit und Stringenz, dass Beethovens gewiss nicht gerade eingängige Musik unmittelbar einleuchtet. Dazwischen entspannt sich ein einstündiger Bogen, den Margaryan mit bemerkenswerter Spannkraft aufbaut. Dabei spart er Extreme nicht aus, etwa indem er die Dynamik äußerst kontrastreich gestaltet – nie allerdings geht es ihm dabei um vordergründige Effekte. Hier stimmt das Große Ganze ebenso wie die Details. Insgesamt ist dies ein höchst bemerkenswertes Debüt.